Kindheits - und Jugenderinnerungen an die Alm

von Hans Lackner

Meine Kindheits–und Jugenderinnerungen an die Rattendorfer Alm 

Wann ich tatsächlich zum ersten Mal auf dieser Alm war – und mit wem, darüber hab ich leider keinerlei Erinnerungen. Diese beginnen erst mit einem Schulwandertag in der Hauptschulzeit, wo wir – ausgehend vom Nassfeld – den Trogkofel von hinten umrundeten und schließlich zur besagten Alm abstiegen. Ebenso kann ich mich gut daran erinnern, noch als Pflichtschüler mit meinem Bruder und etlichen seiner Freunde mehrere Tage da oben verbracht zu haben. Spätestens ab diesem Moment outeten mich meine Eltern als ortskundigen, alpinen Erntehelfer, den man ohne weiteres um Heidelbeeren, Preiselbeeren und diverse Almkräuter in dieses gebirgige Areal ausschicken könne. Sind ja ohnehin nur 12 km in einer Richtung, das muss so ein pubertierender Bursch wohl locker aushalten. Hat er schließlich auch – und nicht nur dieses eine Mal !

Aufgepackt mit einem riesigen Rucksack - denn derselbe musste immerhin einen ganzen Eimer beherbergen- einer Riffel, etwas Jause, Reservekleidung und etwas Geld für die Übernachtung ging`s den Berg hoch. Meistens waren wir zu zweit oder als Clique unterwegs, alle mit dem Ansinnen – so viel wie möglich an Ernte nach Hause zu bringen. In guten Jahren gab es davon so viel, dass wir in wenigen Stunden damit fertig waren. Dann kam das eigentliche Abenteuer – nämlich die bevorstehende Nacht. Das wär im Normalfall kein Problem gewesen, hätte es da nicht diese sonst überaus freundlichen Wirtsleut gegeben, die uns vorm Schlafen geh`n reichlich mit Gruselgeschichten versorgten. Das Gehörte dann am Dachboden bei völliger Dunkelheit psychisch aufzuarbeiten, war nicht einfach. Herum raschelnde Mäuse und Siebenschläfer machten die Situation nicht leichter. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ein Schulfreund aus dem Nachbarort mit einem Entsetzensschrei aufsprang und in mein Bett flüchtete. Er spürte zuvor eine nasskalte Hand auf seinem Gesicht. Ich bekam noch schadenfrohes Gekicher und forteilende Schritte mit, konnte aber meinen unfreiwilligen Schützling für diese Nacht nicht mehr abbeuteln. Der hatte die Hose voll – und ich beinahe auch. Erst viel später erfuhr ich, dass uns ein nasser Gummihandschuh auf einer Art Fischerrute hängend, aufgesucht hatte. So zitterten wir zu zweit dem folgenden Morgen entgegen. Beim Frühstück konnte man allerdings an den Gesichtern der Wirtsleute und Cowboys leicht erkennen, dass diese unheimliche Begebenheit mit großer Sicherheit recht irdischen Ursprungs war. Natürlich wusste niemand was davon und außerdem kämen solche Ereignisse hier oben schon mal vor. Als nicht direkt Betroffener amüsierte mich die Geschichte bald selbst - im Gegensatz zum Opfer, dem das Ganze in Mark und Bein fuhr. Nach dieser psychischen Prüfung stand uns nun noch die physische bevor, denn ein voller Eimer mit Heidelbeeren wartete auf seinen Heimtransport. Mir kam es dabei vor, als ob nicht nur dieselben, sondern ich selbst ebenso immer mehr in mich zusammenschrumpfen würde. Das wäre auch eine schlüssige Erklärung für meine heutige Körpergröße. Solche <Marmelade – Rohstofftransporte> standen mir in Zukunft nämlich noch einige bevor. Apropos Marmelade: Nicht nur, dass ich die Hauptzutaten stundenlang talwärts schleppen musste – durfte ich das fertige Produkt auch noch das Jahr über bis zur Neige als Schul–Jausenbrot verzehren. Selbst als Marmelade – Fan geht einem eine solche Überdosis irgendwann auf den Wecker. So war der gelegentliche Tausch mit einem Speckbrot dann und wann eine willkommene Abwechslung. Den Bauernbuben hing ihrerseits das tägliche Speckbrot oft schon beim Hals hinaus.

Ob mit oder ohne Beerentransport – der Aufenthalt auf der Rattendorfer Alm wurde mir immer lieber. Und wenn ich Zeit hatte, machte ich meine allerersten kleinen Kletterproben am Fuße des Zottachkofels. Keine drauf folgende Nacht verging, ohne dass uns nicht zuvor eine neuerliche Geistergeschichte aus dem Munde der Almwirts – Familie Wassertheurer heimsuchte, wie etwa jene vom „Geisterweibl“ oder von den Trogkofel – Rittern. Die eine oder andere Geschichte werde ich wohl auch hier verewigen.

Während meiner Zeit als Jugendlicher kam ich wenig auf die Alm, da ich ausbildungsbedingt nur mehr für wenige Wochen das Gailtal sah. Dasselbe galt für die Bundesheerzeit und die anschließenden 2 Jahre in Kufstein. Erst als ich mich danach wieder fix in Kärnten niederließ, sah mich die Alm wieder regelmäßig. Über den damaligen Almwirt Toni könnte ich auch ein Buch schreiben. Schriebe ich es alleine auf meine Person bezogen, so käme er dabei ganz gut weg, da wir uns recht gut miteinander verstanden. Ein tragisches Unglück beendete schließlich Tonis Ära. Nun suchte man fieberhaft neue Pächter. Was Beständiges kündigte sich aber erst Jahre später an.

Als ich erfuhr, dass meine ehemalige Freundin aus Kindestagen – Schoppa Brunhilde – mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Peter Sagmeister nun die Bewirtschaftung dieser Alm übernehmen würde, freute ich mich besonders darüber. Intuitiv spürte ich, dass mir und in der Folge auch meiner Familie gute Zeiten bevor stünden. Brunhilde–in ihrer Kochkunst und Gastfreundlichkeit kaum zu überbieten- betreute uns viele Almsommer in unvergesslicher Weise, sodass es meinen Kindern jedes Mal schwer fiel, von der Alm Abschied zu nehmen. Mit etlichen Gästen, denen es wohl gleich erging, entstanden schöne Freundschaften, sodass wir uns über viele Jahre immer zur selben Zeit dort oben trafen. Über diese Pächterfamilie gibt es in der Folge eine eigene Dokumentation (aus meiner Sicht als langjähriger Gast geschildert)

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